10.07.2025
Pater Simon De Keukelaere FSO
Marktheidenfeld
Predigt zur Heimatprimiz von Pater Kilian Deppisch FSO
Von Pater Simon De Keukelaere FSO
Am 6. Juli 2025 feierte unser Neupriester Kilian Deppisch FSO seine Heimatsprimiz in der Sankt Josefskirche in seiner Heimat Marktheidenfeld in Deutschland. Pater Simon De Keukelare hielt die Festpredigt:

“Mit Gott und Kirche will ich nichts mehr zu tun haben.“ Das waren die Gedanken eines meiner besten Freunde aus meiner Heimat in Belgien. Als A. 13 war, ist seine Mutter an einer schweren Krankheit gestorben. Sie war tiefgläubig – und nun hatte ihr Sohn den Glauben komplett verloren. A. habe ich kennengelernt als ich 16 war – auf einem Englisch-Sprachlager für Jugendliche. Ich war damals in meiner „Punk“-Phase, mit jeder Menge Haargel. Diese Phase dauerte genau zehn Tage – so lange wie das Lager. Gott und Kirche waren für mich kein Thema. Aber A. wurde ein guter Freund. In den Jahren danach kam ich langsam auf die Spur Gottes. A. blieb ein guter Freund – auch als ich mich entschloss, in die geistliche Familie „Das Werk“ einzutreten und Priester zu werden. Er sagte einmal: „Ich bin stolz darauf, dass so ein guter Freund von mir Priester wird.“ Er wurde sogar immer offener für den Glauben. Aber über seine Mutter – darüber sprachen wir nie. Es war ein stummes Thema. Vielleicht zu schmerzhaft.
Dann kam der Tag meiner Priesterweihe – vor fast neun Jahren. Nach der Feier trat A. an mich heran. Ganz ruhig sagt er: „Heute wäre ihr 60. Geburtstag gewesen.“ „Ihr Geburtstag? Heute?“ „Ja, der Geburtstag meiner Mutter.“
Ich war ganz still. In diesem Moment hatte ich das Gefühl: Sie hat ihn nie allein gelassen. Vielleicht hat sie vom Himmel aus gebetet, dass er den Glauben wiederentdeckt. Und Gott hat ihm einen Freund geschenkt, der Priester wurde. Vielleicht ist Glaube manchmal genau das: Zu wissen, dass uns da Jemand durch das Dunkel begleitet – selbst, wenn er scheinbar lange nichts sagt.
Familie oder Priester?
Lieber Pater Kilian! Du bist erst seit einer Woche Priester. Du wirst es sehen – und du kennst es wohl jetzt schon: Du bist Teil eines Abenteuers, das dich weit übersteigt, wo du auch zum Instrument für andere werden darfst, Teil eines größeren Planes Gottes und einer größeren Familie Gottes – über den Tod hinaus. Ich kann mich an einen Spaziergang in Bregenz mit dir vor vielen Jahren erinnern, als du dich noch nicht entschieden hattest, Priester zu werden. Du hast erzählt, du seiest am Überlegen, was der Plan Gottes für dein Leben ist – ob eine Familie zu gründen oder in eine Gemeinschaft einzutreten und Priester zu werden. Ich war beeindruckt von deinem ehrlichen Ringen und habe mir gedacht: Zu so einem jungen Mann kann man aufschauen.
Eine Familie zu gründen, schien dir eine sehr schöne Option – und das ist sie auch. Warum bist du dennoch Priester geworden? Wurdest du vom Blitz getroffen, so wie es mit dem alten Turm der Laurentius-Kirche in Marktheidenfeld 1805 der Fall war?
Nein. Du hast innerlich immer mehr erkannt, dass Priester zu werden Teil des großen Liebesplanes Gottes für dein Leben ist – und dass du so auch zum Instrument der Liebe Gottes für andere werden kannst.
Weißt du was: Das Projekt „Familie gründen“ gibt man als Priester nicht einfach auf. Wieso? Als Priester bist du gerufen, wie Papst Leo XIV. einmal sagte, “gleichsam zu verschwinden, damit Christus bleibt”. Du bist berufen, mit allem, was du hast und bist, nur für Jesus und in Jesus Christus zu leben und dich für seine Gründung, für die Gründung Jesu einzusetzen. Jesus hat hier auf Erden unverheiratet gelebt, ehelos – für das Himmelreich. Und dennoch hat er eine große Familie gegründet: die Familie Gottes. Wie hat ein jüdischer Mann damals eine Familie gegründet? In der Bibel heißt es: „Der Mann wird Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und die beiden werden ein Fleisch.“ Im Epheserbrief kommentiert der heilige Paulus: „Das ist ein großes Geheimnis – ich beziehe es auf Christus und seine Kirche“ (Vgl. Eph 5,32).
Die neue Familie
Kann man sagen, dass Jesus „Vater und Mutter“ verlassen hat? Der himmlische Vater war ja immer bei ihm. Und trotzdem hat er die himmlische Herrlichkeit verlassen, um seine Braut – um die menschliche Seele, bzw. sein Volk – zu umwerben. Er ist ein ganz kleiner und wehrloser Mensch geworden, und er geht den Menschen nach – bis in den Abgrund und die Verzweiflung des Todes am Kreuz. Dort am Kreuz, hat er ausgerufen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“ (vgl. Mt 27,46) Er hat die tiefste Gottesverlassenheit der Menschen, die Entfremdung von unserem Ursprung, das Urtrauma, das so viel Chaos in die Welt gebracht hat und bringt, im eigenen Herzen durchlitten.
Und seine Mutter? Es gibt Stellen in den Evangelien, wo Jesus ein wenig auf Distanz zu seiner zutiefst geliebten Mutter geht. Das gipfelt auch am Kreuz, wo er sie dem Apostel Johannes anvertraut. Mit letzter Kraft spricht Jesus: „Siehe, deine Mutter.“ (vgl. Joh 19,27) Er gibt sie Johannes – stellvertretend für uns alle.
Am Kreuz hat Jesus sich ganz seiner Braut, seinem Volk, hingegeben – und eine neue Familie gegründet. Lieber P. Kilian! In dieser Messe, deiner Heimatprimiz, die du jetzt stellvertretend mit und für uns alle feiern darfst, wird dieses Geheimnis „live“ gegenwärtig: die Liebeshingabe Jesu und die Erneuerung seines Liebesbundes, der wie ein Ehebund ist. In der Messe darfst du “in persona Christi capitis”, in der Person Christi des Hauptes und somit des Bräutigams (vgl. Eph 5,23-32) seiner Kirche, handeln. In jeder Messe wird die Familiengründung Jesu und somit das Geheimnis der Kirche als Familie Gottes gefestigt und erneuert.
Ich kann mich daran erinnern, dass nach einer Hochzeit die Braut zu den Eltern ihres Mannes (also ihren Schwiegereltern) gegangen ist, beide umarmt hat und sagte: „Papa, Mama.“ Ähnlich wird – durch das, was Christus getan hat – sein himmlischer Vater unser Vater, und seine Mutter Maria unsere Mutter. Wir werden Teil einer großen neuen Familie. Du, lieber P. Kilian, darfst in und durch Christus Menschen zum barmherzigen Vaterherz Gottes führen – und ihnen helfen, Maria als ihre Mutter zu entdecken. Und die Menschen untereinander immer mehr als Geschwister. Wenn du als Priester zu uns allen „Brüder und Schwestern“ oder „Schwestern und Brüder“ sagst, ist das nicht, weil hier alle ausnahmslos blutsverwandt wären – auch wenn du eine große Verwandtschaft hast.
Als Mitglied der geistlichen Familie „Das Werk“, unserer Gemeinschaft, darfst du in einer Zeit, in der selbst junge Menschen nicht selten unter Einsamkeit leiden und viele Menschen keine echte Familie mehr erfahren, besonders dazu beitragen, dass die Kirche immer mehr als Familie Gottes erfahren wird – hier auf Erden und vor allem auch über den Tod hinaus.
Treue trotz Fehler
Du weißt, die Kirche wird in unseren Ländern oft recht kritisch betrachtet. Die Kirche hat in jedem Jahrhundert unglaubliche Lichtgestalten, große Heilige und viele tolle Christen hervorgebracht. Gleichzeitig gab und gibt es auch in der Kirche Dinge, die schmerzhaft sind oder gar Missstände, die beseitigt gehören – Dinge, bei denen Jesus, als Bräutigam seines Volkes, seiner Kirche, scheinbar seit 2000 Jahren sehr gute Gründe hätte, Schluss zu machen und sich definitiv von ihr zu trennen, sich scheiden zu lassen. Paulus sagt aber: „Was kann uns trennen, bzw. scheiden von der Liebe Christi?“ (vgl. Röm 8,35) – und er verwendet dafür das Wort, das man für Ehescheidung verwendet. Paulus ist gewiss: Jesus bleibt treu. In guten und in bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit. Das Herz des himmlischen Bräutigams lässt seine Kirche, auch nach 2000 Jahren, nicht im Stich. Auch das feiern wir heute! Auch für Jesus gilt das Wort deines Primizspruchs: “Das Größte ist die Liebe!” (Vgl. 1 Kor 13,13)
Deswegen ist die Kirche trotz allem so schön – schön wie das himmlische Jerusalem, das schon hier auf Erden beginnt: „Freut euch mit Jerusalem und jauchzt in ihr, alle, die ihr sie liebt! Jubelt mit ihr… Siehe, wie einen Strom leite ich den Frieden zu ihr und die Herrlichkeit der Nationen wie einen rauschenden Bach, auf dass ihr trinken könnt…“ (vgl. Jes 66,10-12)
In einer Zeit, in der es oft viel Unfrieden gibt – in den Herzen, in den Gewissen, in nicht wenigen Familien, in der Welt - in einer Welt, in der es viel Schönes gibt, die aber auch alle technischen Mittel hätte, um die Menschheit auszulöschen… Ja, gerade in unserer Zeit lohnt es sich, sich abzumühen, damit Menschen ihren tiefsten Durst löschen können – an dem Strom des Friedens aus dem Herzen Jesu, der in den Sakramenten seiner Kirche fließt, allen voran in der Messe. Sei du aber der Erste, der sich an diesem Strom labt: Sei als Priester ein Mann des tiefen und ausharrenden Gebetes – auch wenn es mühsam ist. Bete auch dein Brevier nicht bloß als Pflicht, sondern als Lobpreis, Dank und Fürbitte für die Menschen, für die du ein geistlicher Vater bist.
Und abschließend: Im Evangelium sendet Jesus die 72 Helfer der Apostel zu zweit aus (Vgl. Lk 10,1). Du bist ein Gemeinschaftsmensch: Schaue weiterhin, dass du als Priester nicht als Einzelgänger, sondern in gegenseitiger Ergänzung mit anderen für den Herrn arbeitest, so wie der heilige Kilian, der hier heute gefeiert wird, auch gemeinsam mit anderen unterwegs war und sogar mit anderen gemeinsam das Martyrium erlitten hat. Im heutigen Evangelium heißt es noch: Jesus sandte sie in die Städte, in die er selbst gehen wollte (Vgl. Lk 10,1). Für uns Priester soll es nicht um uns selbst gehen, sondern um ihn, um Jesus. Wie unser Papst Leo in seiner ersten Predigt sagte, geht es darum: „Zu verschwinden, damit Christus bleibt. Sich klein zu machen, damit er erkannt und verherrlicht wird (vgl. Joh 3,30). Sich ganz und gar dafür einzusetzen, dass niemandem die Möglichkeit fehlt, ihn zu erkennen und zu lieben.“
Das wünsche ich dir von Herzen, lieber P. Kilian! Wir unterstützen dich und beten für dich – und beten auch, dass der Herr nie aufhört, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.
Amen.
Fotogalerie
© Fotos: Isaure Delepoulle


