Newman war einer der größten Prediger der christlichen Religion, als Anglikaner (1801 – 1845) und als Katholik (1845 – 1890). Mit seinen Worten, vor allem aus seinen Predigten, möchte ich auf die Frage antworten: Was macht den Heiligen, was macht Heiligkeit aus?
„Der Heilige ist die Schöpfung des Evangeliums und der Kirche“ (DP IV, 180). Das Frohe Botschaft Jesu Christi, die Verkündigung und die Sakramente der Kirche haben die Kraft in sich, in jedem Jahrhunderte viele Heilige hervorzubringen, bekannte und unbekannte. Wer sich einlässt auf das Evangelium und die geistlichen Schätze, die die Kirche anbietet, geht den Weg der Heiligkeit. Er wird die Erfahrung machen, dass er, wie Paulus sagt, eine „neue Schöpfung“ (Gal 6,15) wird. Newman drückt diese paulinische Erfahrung mit den Worten aus: „Die Gnade hat die Natur besiegt: das ist die ganze Geschichte der Heiligen“ (DP XI, 61). In der Taufe sind wir geheiligt worden. Wir haben das Heil empfangen. Durch die Mitarbeit unseres freien Willens soll der „Sauerteig“ der in der Taufe empfangenen Gnade unser ganzes Leben durchsäuern. Diesen Weg zur Heiligkeit ist Newman gegangen, diesen Weg hat er uns gewiesen.
Bei seiner Bekehrung im Alter von 15 Jahren hat ihn ein Wort eines evangelikalen Geistlichen beeindruckt: „Heiligkeit vor Frieden!“ Was meint Newman damit? Es bedeutet: Heiligkeit vor Mittelmäßigkeit, Heiligkeit vor Selbstzufriedenheit! Heilig werden bedeutet für Newman schlicht und einfach: Tun, was man als wahr erkannt hat, in die Tat umsetzen, was man als Pflicht, als Wille Gottes, als Wert erkannt hat. Er sagt einmal: „Ich möchte nur behaupten, dass unsere Pflicht in Handlungen besteht – Handlungen jeder Art, Handlungen des Geistes so gut wie der Zunge und der Hand; aber auf jeden Fall besteht sie aus Handlungen; sie besteht nicht unmittelbar in Stimmungen und Gefühlen.“ Taten bringen uns voran und nicht so sehr Wissen, Gedanken, Worte oder Gefühle. Werke des Glaubens und der Liebe aus der Kraft der Gnade verwandeln den Menschen und formen ihn zum Heiligen.
Wer sich für den Weg der Heiligkeit entscheidet, zieht andere mit. Er wird aber auch die Erfahrung machen, dass er nicht immer verstanden wird. „Je heiliger einer ist, desto weniger wird er von den Weltmenschen verstanden“ (DP IV 275). Und: „Keiner von uns versteht die, die weit besser sind als wir selbst“ (DP IV, 273). Obwohl die Heiligen manchmal „fremd“ erscheinen, sind und bleiben sie die einflussreichsten Menschen der Geschichte. Es gibt niemanden, der – außer dem Sohn Gottes – so viel Einfluss auf die Menschen ausgeübt hat und noch immer ausübt, als der Heiligste aller Menschen, die unbefleckt empfangene Jungfrau und Gottesmutter Maria. Heiligkeit bewegt die Herzen, wenn auch nicht immer unmittelbar. In diesem Sinn sagt Newman: „Die Heiligkeit hat ihren Einfluss, der Intellekt hat seinen Einfluss; der Einfluss der Heiligkeit ist größer auf die Dauer gesehen, der Einfluss des Intellektes ist größer für den Augenblick“ (DP X, 27).