10.04.2024
Pater Hermann Geißler, FS0
Rom
"Benedikt-Walk" in Rom
Vom 24. bis 27. März kamen junge Männer aus Deutschland, Österreich, Slowenien, der Schweiz und Großbritannien ins Collegium Paulinum (Rom), um einige heilige Stätten zu besuchen, die Schätze des Glaubens zu vertiefen und das Gebetsleben zu pflegen. Ein High-Light dieser Tage war der „Benedikt-Walk“, der zu den Lebensstationen Joseph Ratzingers führte. Pater Hermann Geißler berichtet:
Der Walk begann in der Kirche des päpstlichen Kollegs Santa Maria dell’Anima, wo der Theologe Joseph Ratzinger während des II. Vatikanischen Konzils (1962-1965) als Berater von Kardinal Frings gewohnt hatte. Dort wurde er mitten im römischen Trubel mit der Siesta vertraut: „die ist ja, das habe ich damals gelernt, in Rom wichtig. Bis dahin kannte ich keine Siesta. Von da an ist sie in mein Leben getreten“ (Letzte Gespräche, 146).
Vor der Cantina Tirolese (Tiroler Keller) hielten wir die zweite Station. Dort war Joseph Ratzinger – bis zu seiner Wahl zum Nachfolger Petri – gerne eingekehrt. Was er mit Vorliebe bestellte, verriet die Chefin des Restaurants: „Suppen, überhaupt Frittatensuppe, Gulasch, aber auch Strudel oder Wiener Schnitzel“ (Interview, 27. Februar 2013).
Ein längerer Marsch führte uns zur Piccola Casa, wo Joseph Ratzinger, damals Mitglied der internationalen Theologenkommission, am 28. September 1975 das Newman-Zentrum besucht und die geistliche Familie „Das Werk“ kennengelernt hatte. Was war ihm dabei aufgefallen? „Schwestern zu sehen, die sich ernsthaft für John Henry Newman interessieren und zugleich eine große Liebe zur Küche haben, diese Kombination fand ich sehr originell.“
In der Città Leonina, wo Kardinal Ratzinger von 1982 bis 2005 gewohnt hatte, empfing uns Kardinal Müller, der jetzt dort lebt. Er zeigte uns die ganze Wohnung und ließ uns von der Dachterrasse einen Blick auf den Petersplatz werfen. Als Theologe und Bischof wollte Joseph Ratzinger „Mitarbeiter der Wahrheit“ sein. Diesen bischöflichen Wahlspruch hatte er gewählt, „weil es mir die vereinigende Klammer zwischen meiner bisherigen Aufgabe und dem neuen Auftrag zu sein schien: Bei allen Unterschieden ging und geht es doch um das gleich, der Wahrheit nachzugehen, ihr zu Diensten zu sein“ (Aus meinem Leben, 178f.).
Vor dem Palazzo del Sant’Uffizio gedachten wir der 23 Jahre, die Kardinal Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation gewirkt hatte, um an der Seite von Johannes Paul II. den Glauben zu fördern und zu schützen. Viele kritisierten ihn, wenn er zu heiklen Themen klar Stellung bezog. Er aber meinte: „Wenn man sich in eine religiöse Sicht der Dinge begibt, versteht man, dass der Glaube das höchste und kostbarste Gut ist – einfach deshalb, weil Wahrheit grundlegendes Lebenselement für den Menschen ist. Deshalb müsste die Sorge darum, dass der Glaube unter uns nicht verdirbt – zumindest von den Gläubigen – als höher angesehen werden als die Sorge um die Gesundheit des Leibes“ (Zur Lage des Glaubens, 20).
Vom Petersplatz aus schauten wir zur Terza Loggia des Apostolischen Palastes, wo Benedikt XVI. acht Jahre lang (2005-2013) gewohnt und als Nachfolger Petri die Kirche geleitet hatte. Wir dankten für seine wegweisenden Enzykliken, seine wunderbaren Katechesen und Homilien und seinen tiefen Glauben, mit dem er unzählige Herzen für Jesus gewinnen konnte. „Der Herr hat uns viele Sonnentage mit leichter Brise geschenkt, Tage, an denen der Fischfang reichlich war, und es gab Momente, in denen das Wasser aufgewühlt war und wir Gegenwind hatten... Aber ich habe immer gewusst, dass in diesem Boot der Herr ist, und ich habe immer gewusst, dass das Boot der Kirche nicht mir, nicht uns gehört, sondern Ihm“ (Letzte Katechese, 27. Februar 2013).
Im Campo Santo Teutonico erinnerten wir uns daran, dass Kardinal Ratzinger an dieser Stätte mehr als zwanzig Jahre lang jeden Donnerstag um 7 Uhr die heilige Messe für deutschsprachige Pilger gefeiert und ihnen das Wort Gottes erschlossen hatte. Er war ein begnadeter Prediger, der den Menschen zeigte, dass nicht Erfolg, Geld und Karriere das Eigentliche sind: „Wer sein Leben auf diese Wirklichkeiten baut, auf das Materielle, alles, was glänzt, der baut auf Sand. Nur das Wort Gottes ist das Fundament der gesamten Wirklichkeit, es steht fest wie der Himmel und mehr als der Himmel, es ist die Realität“ (Lectio Divina, 6. Oktober 2008).
Schließlich machten wir auch einen Besuch am Grab von Benedikt XVI. Wir beteten für ihn, aber noch mehr zu ihm, da wir davon überzeugt sind, dass er uns nahe bleibt. Bei seinem letzten Angelus als amtierender Papst hatte er gesagt: „Der Herr ruft mich, den Berg hinaufzusteigen, mich noch mehr dem Gebet und der Betrachtung zu widmen. Dies bedeutet nicht, dass ich die Kirche im Stich lasse, im Gegenteil. Wenn Gott dies von mir fordert, so gerade deshalb, damit ich fortfahren kann, ihr zu dienen, mit derselben Hingabe und mit derselben Liebe, wie ich es bislang versucht habe“ (Angelus, 24. Februar 2013). Von seinem Rücktritt bis zu seinem Heimgang am 31. Dezember 2022 lebte und betete Benedikt XVI. im Monastero Mater Ecclesiae im Vatikan – und nun tritt er in den Höhen des ewigen Lebens für uns und die ganze Kirche ein.