06.08.2025
Pater Hermann Geißler FSO
Littlemore - Rom
Warum wird Newman zum Kirchenlehrer ernannt?
In welchen Themenbereichen ist die Lehre des heiligen John Henry Newman (1801-1890) von eminenter Bedeutung? Wichtig ist seine Erkenntnis, dass das Christentum eine lebendige Wahrheit darstellt, die göttlichen Ursprungs ist und sich in der Gemeinschaft der Kirche im Laufe der Geschichte organisch entfaltet. Seine Ausführungen über die Entwicklung der Glaubenslehre und über die Kriterien zur Unterscheidung zwischen echten und falschen Lehrentwicklungen sind wegweisend und können auch in den gegenwärtigen Debatten Orientierung schenken.
Newman trug die feste Überzeugung in sich, dass die Weitergabe des Glaubens der ganzen Kirche anvertraut ist. Deshalb unterstrich er, dass es neben der klaren Verkündigung durch die Hirten auch des intellektuellen Dienstes der Theologen und des mutigen Zeugnisses der Laien bedarf. Seine Gedanken über den Konsens der Gläubigen bleiben inspirierend, gerade auch im Blick auf die von ihm ersehnte neue Konspiration von Hirten und Laien und die Gespräche über die rechte Einbeziehung aller Gläubigen in das Leben und die Sendung der kirchlichen Communio.
Den Weg seiner eigenen Bekehrung legte Newman in der Apologia pro vita sua eindrucksvoll dar. Dieser Klassiker der modernen Literatur, der manchmal mit den Bekenntnissen des heiligen Augustinus verglichen wird, hat ebenfalls bleibende Bedeutung. Denn der Glaube an Gott und die Liebe zur Kirche werden vor allem durch das persönliche Zeugnis vermittelt. Zudem sind Umkehrbereitschaft, Gebet und Suche nach der Wahrheit grundlegende Prinzipien für die ökumenische Bewegung.

Newman kann uns auch helfen, die genuine Bedeutung des Gewissens zu erfassen und von einseitigen oder falschen Auffassungen zu unterscheiden. Seine Lehre über dieses zentrale Thema unterstreicht die Würde und den Primat des Gewissens, zugleich aber auch die unerlässliche Bedeutung der Kirche und des Papstes. Für Newman ist das Gewissen der Anwalt der Wahrheit im Herzen des Menschen, der ursprüngliche Statthalter Christi: eine faszinierende Sichtweise.
Newmans Ausführungen über Glauben und Vernunft, seine Bemühungen um eine ganzheitliche Formung in Schule und Universität, seine von den Vätern inspirierte Lehre über Maria, die zweite Eva, seine Vorlesungen über die Rechtfertigung und seine personalistische Eschatologie im „Traum des Gerontius“ bleiben ebenfalls von großer Aktualität.
Das ganze Leben lang bemühte sich Newman, den Liberalismus in der Religion zurückzuweisen und das Christentum als Wahrheit verständlich zu machen. Seine Predigten, Romane, Briefe und Gebete zeigen, dass er diesen Dienst an der Wahrheit mit großem Einfühlungsvermögen und aufrichtiger Liebe ausübte. Cor ad cor loquitur: Entsprechend diesem Motto, das er sich als Kardinal aneignete, wandte er sich an das Herz seiner Mitmenschen und versuchte sie in persönlicher Weise anzusprechen. Eine derartige Verkündigung kann die Menschen auch heute berühren.
„Das Kennzeichen des großen Lehrers in der Kirche scheint mir zu sein, dass er nicht nur durch sein Denken und Reden lehrt, sondern mit seinem Leben, weil Denken und Leben sich in ihm gegenseitig durchdringen und bestimmen. Wenn es so ist, dann gehört Newman zu den großen Lehrern der Kirche, weil er zugleich unser Herz berührt und unser Denken erleuchtet.“ Kardinal Joseph Ratzinger brachte mit diesen Worten schon 1990 zum Ausdruck, was nun offiziell bestätigt wurde: Newmans Leben und Denken sind von eminenter Bedeutung. Er wird bald zu den Kirchenlehrern gezählt.

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